Freitag, 27. August 2010

Arbeit im Family Life Office und die Aidsproblematik

Am Freitagmorgen um acht Uhr habe ich mit meiner Arbeit im Family Life Office in Kumbo angefangen. Zuerst einmal wurde mir durch Erklärungen und Informationsmaterial das Programm vorgestellt, was eigentlich Family Life ist. Unter anderem kümmert sich das Family Life Team um allein stehende Eltern/Mütter, Aids-Kranke, arme Familien, Drogenabhängige. Aber vor allem Beratungs- und Aufklärungsarbeit bezüglich Familienplanung, Schwangerschaft etc. gehören zum Alltag. Das ist in einem Land, in dem Themen wie Sex ein absolutes Tabu sind, auch sehr wichtig und sinnvoll. Da es sich um eine katholische Einrichtung handelt, werden natürlich die christlichen und teils sehr konservativen Ansichten zum Beispiel bezüglich Abtreibung vertreten.
Ein Projekt, wie allein erziehenden Eltern geholfen wird, möchte ich hier anführen. Sie haben die Möglichkeit Gemeinschaften zu bilden ab 30 Mitgliedern, denen ein Kapital von 300000 Francs (460 Euro) zur Verfügung gestellt wird. Mit diesem Geld können die Mitglieder gemeinsam kleine Geschäfte aufbauen. Zum Beispiel eine Farm betreiben und Produkte wie Palmöl herstellen und verkaufen. Der Gewinn wird am Ende des Monats unter den Mitgliedern aufgeteilt.
Es ist moeglich, dass die Mitglieder von dem zur Verfügung gestellten Geld einen Kredit bekommen (kleinere Betraege von 500 bis 5000 Francs), was allerdings innerhalb drei Monate wieder zurueckgezahlt werden muss mit einem Zins von 25 Francs pro 1000 Francs. Dies soll dazu dienen, dass nicht leichtfertig Geld geliehen wird. Jedes Mitglied ist dazu angehalten von dem erwirtschafteten Gewinn monatlich Ruecklagen zu bilden. In bestimmten Fällen, wie zum Beispiel Krankheit, können die Mitglieder auf dieses Geld zurückgreifen und einen Arztbesuch bezahlen. Insgesamt soll das Kapital der Gemeinschaft wachsen, sodass es moeglich wird auch groessere Kredite und Anschaffungen zu gewaehren.
Jede Gemeinschaft bestimmt ein oder zwei „Leader“, die über sechs Monate vom Family Life Office ausgebildet werden. Danach sind sie für die Gemeinschaft und die Verwaltung des Geldes verantwortlich. Monatlich müssen sie über die Tätigkeiten und finanziellen Bewegungen einen Bericht abgeben. Die Gemeinschaft ist somit für sich selbst verantwortlich und autonom in ihren Entscheidungen. Die Mitarbeiter des Family Life Teams haben nur eine unterstützende bzw. Kontrollfunktion.
Im Family Life Office in Kumbo gibt es neun Mitarbeiter. Es ist sozusagen das Hauptbüro im Bistum und deshalb für die Koordination bzw. Ausbildung ehrenamtlicher Mitarbeiter zuständig. In den Gemeinden werden die Arbeiten nämlich hauptsächlich von Gemeindemitgliedern ehrenamtlich geführt.
Am Samstag geht es zusammen mit dem Direktor des Family Life Office und einer Mitarbeiterin früh um sieben Uhr von Kumbo aus los in ein Dorf namens Djottin.
Dort findet ein Treffen der Family-Life-Mitarbeiter in den Gemeinden um Djottin statt. Ich fange mal mit der Hinfahrt an, denn wie ich vielleicht schon erwähnt habe: Es ist Regenzeit. Große Straßen wie von Bamenda nach Kumbo sind ja noch befahrbar, aber sobald es in abgelegene Dörfer geht, wünscht man sich einen deutschen Feldweg. Dabei hatten wir einen der besten Geländewagen, die Kumbo zu bieten hat. Die Straße besteht aus rotem Lehmboden mit riesigen Schlaglöchern und ausgefahrenen Spurrillen. Da es am Morgen geregnet hat, war es natürlich besonders rutschig. Aber dank des Allradantriebs des Autos und des Talents unseres Fahrers kamen wir gut voran.
Wir sind nur einmal stecken geblieben! Doch da diese Stelle den Einheimischen schon bekannt ist, waren sofort ein paar Männer da um uns wieder freizuschaufeln (gegen einen kleines Trinkgeld versteht sich). Die Straße ist sogar für kamerunische Verhältnisse schlecht. Schließlich wurde beschlossen nach Djottin nur noch in der Trockenzeit zu fahren.
Die Landschaft ist wunderschön! Besonders, wenn kurz nach Sonnenaufgang, die Sonnenstrahlen durch die Nebelschwaden auf die Blätter der Bananenstauden fallen. Die Gegend ist sehr gebirgig. Alle paar hundert Meter stürzen Wasserfälle in grüne Palmenhaine. Die Region ist nicht sehr dicht besiedelt, aber trotzdem sieht man rechts und links viele Frauen emsig auf den Plantagen arbeiten. Djottin liegt etwas tiefer als Kumbo und deshalb ist es wärmer. Bananen wachsen hier sehr gut. Wir schlängeln uns also durch die grünen Bananenplantagen immer näher unserem Ziel entgegen.
Um halb neun kommen wir in Djottin an. Außer uns ist natürlich noch niemand da (Das Treffen hätte um acht Uhr beginnen sollen). Aber somit haben wir Zeit uns mit dem Pfarrer von Djottin zu unterhalten. Man merkt sofort, dass der Lebensstandart der Menschen hier niedriger ist als in Kumbo.
Gleich zu Beginn fällt mir, dass vor einem Haus eine große Menschenmasse steht und wartet. Was das bedeutet wird mir im Gespräch mit dem Direktor des Family Life Office klar: Es ist das Zentrum einer amerikanischen NGO (nicht staatliche Hilfsorganisation). Diese Organisation hat ein Projekt „Food for Children“. Familien mit Kindern können sich dort kostenlos einmal in der Woche Reis abholen. Soweit ja ganz logisch: Die armen Kinder bekommen da zu essen.
Aber die andere Seite bzw. die Missorganisation ist, dass der Reis aus Amerika kommt. Der Reis wird in Amerika eingekauft und für mehrere Millionen nach Djottin transportiert.
Das Kontroverse ist: In Kamerun, insbesondere im Nord-Westen wachsen alle erdenklichen Lebensmittelarten: Von Kartoffel über Bananen bis hin zu Reis! Die Reisfelder sind keine 50 Kilometer von Djottin entfernt und dennoch wird amerikanischer Reis verteilt. Im Nord-Westen Kameruns gibt es keinen Lebensmittelmangel. Ganz im Gegenteil können die Farmer der Region ihren eigenen Reis nicht mehr verkaufen, weil die Konkurrenz zu amerikanischen Reis zu groß ist. Den gibt’s ja umsonst.
Das Family Life Office und das Bistum kümmern sich auch um Farmer, die zu arm sind um ihren Kindern das Schulgeld zu bezahlen.
Da muss man fragen, ob Entwicklungshilfe, wie es von uns genannt wird, in dieser Form wirklich einen positiven Effekt hat oder die einheimischen Märkte kaputt gemacht werden?
Um halb zehn können wir endlich beginnen (wenn auch noch nicht alle da sind). Die meisten Anwesenden sind ehrenamtliche Mitarbeiter aus den umliegenden Gemeinden und sie berichten über ihre Arbeit der letzten Monate. Dadurch kann ich einen guten Einblick in die laufenden Aktivitäten bekommen. So wird berichtet für welche und wie viele Kinder das Schulgeld bezahlt wurde (in einer Gemeinde für 250 Kinder!), welche Probleme es im Einzelnen gibt, z.B. mit Aids-Kranken. Es gibt ein Programm, das Aids-Kraken ermöglicht, in Gemeinschaften zusammenzukommen, aber vor allem ihnen näher zu bringen, dass ein Leben mit Aids nicht vollkommen hoffnungslos und sinnlos ist. Ein wichtiger Faktor bei allem ist das Beten. Das kann man sich in Deutschland gar nicht vorstellen, aber gemeinsames Beten, Singen, Bibelteilen ist hier sehr wichtig. Die Religion hilft den Menschen, neue Kraft und Hoffnung zu schöpfen.
Es ist beeindruckend mit wie viel Leidenschaft alle ihre Tätigkeiten ausführen. Nach jedem Report werden Rückmeldungen gegeben, Probleme diskutiert und Verbesserungsvorschläge gemacht. Somit war das Treffen sehr interessant und abwechslungsreich, wenn auch das afrikanische Englisch von einigen teils schwer zu verstehen war. Ein Großteil der Gelder zur Fananzierung der Projekte stammt übrigens aus dem Bistum Limburg.
Dann muss ich doch noch vom Essen berichten: Während des Treffens gab es Erdnüsse, das heißt frische Erdnüsse. Die gibt es in Kamerun an jeder Ecke und vor jedem Haus zu kaufen. Ich denke also, wer weiß wann es wieder etwas zu essen gibt, die Kameruner kauen auch kräftig, also lange ich mal kräftig zu. Es schmeckt schließlich gut (ganz anders als getrocknete Erdnüsse).
Aber wir sind in Kamerun. Nach dem Treffen gibt es erst einmal was zu essen. Entweder sind die Portionen außerhalb Kumbos noch größer oder man will sich nicht nachsagen lassen, dass jemand hungrig hinausgeht. Es gibt Fufu-Corn und Njama-Njama, das für die Region um Kumbo typischste Gericht. Fufu besteht nur aus Maismehl (ohne Gewürze), das mit Wasser über offenem Feuer zu Brei gekocht wird. Das ganze wird in Plastiktüten portioniert, wo es zu einem sehr großen Kloß zusammenklebt.
Njama-Njama ist ein spinatähnliches, leicht bitteres Blattgemüse. Gegessen wird, indem man in der rechten Hand ein Stück des Fufu-Kloßes zu einer kleineren Kugel rollt und die sich mit ein bisschen Njama-Njama in den Mund steckt. Es schmeckt gut und ist vor allem sehr, sehr sättigend. Man muss seinen Magen wohl erst trainieren, um solche Mengen Fufu hineinzubekommen. Ich habe es als letzter geschafft meinen Fufu-Kloß aufzuessen (obwohl ich als erster bekommen habe).

Njama-Njama auf dem Feld und das fertige Gericht
Nachdem ich mir den letzten Brocken Fufu reingezwängt habe, gibt es noch etwas zu trinken, natürlich Export „33“. Das ist die kamerunische Biersorte schlechthin; es schmeckt auch ganz gut. Allerdings gibt es das Bier hier nur in 0,65 Literflaschen. Ich muss also in meinen sowieso schon überfüllten Magen noch 0,65 Liter Bier hineinpumpen. Die Kameruner haben aber Verständnis und warten auf mich. Irgendwann würde aus mir noch ein richtiger Kameruner werden.
Die Rückfahrt ist genauso interessant wie die Hinfahrt. Immer wieder halten wir an und kaufen ein: Bananen, Kohl, Njama-Njama. Denn hier ist alles viel billiger als in Kumbo direkt. Zum Beispiel bezahlt man in Kumbo für ca. 16 Bananen 300 Franc (50 Cent), hier habe ich sie für nur 50 Franc (9 Cent) gekauft.

die Berge und einer der unzaehligen Wasserfaelle

die Strasse aus dem Auto aus photographiert
Am Montag, dem 23. August, sind wir in einer Art Berufsschule für Schneiderinnen. Dort werden zur Zeit 28 Mädchen in Nähen und Kleidungsdesign ausgebildet. Zusammen mit Stephen aus dem Family Life Office fahre ich dorthin, wo wir zwei Stunden einen Vortrag über HIV/Adis halten. Angefangen damit, was HIV ist, wie die Krankheit verläuft, wie man sich infiziert, wie man sich davor schützten kann, was ein Aids-Test ist und dann auch wie man sich gegenüber Aids-Kranken verhalten soll.
Dabei bin ich sehr überrascht, wie sachlich die Themen behandelt werden. Es steht nicht die katholische Lehre im Vordergrund. So wird auch das Kondom von Stephen als Mittel der Aids-Prävention angeführt. Aber andererseits beleuchtet er kritisch die Problematik: Wegen der ohnehin schlechten Qualität der Kondome in Afrika, welche durch Lagerung bei hohen Temperaturen und UV-Strahlen noch verschlechtert wird, kann vom Kondom keineswegs als sicheres Verhütungsmittel geschweige denn als Schutz vor einer Aids- Infektion gesprochen werden. Die einzige wirksame Möglichkeit sich vor Aids zu schützen ist also kein Sex zu haben. Die Mädchen sind sehr interessiert und stellen viele Fragen. Insgesamt ist die Veranstaltung sehr erfolgreich.
Aufklärung über Aids ist wichtig, denn es existiert sehr viel Irrglaube über das, was Aids ist, weil zu wenig offen darüber gesprochen wird.
Die Aids-Rate wird auf mindestens 32% geschätzt!
Das Problem ist insbesondere in Kumbo sehr groß, weil hier eines der besten Krankenhäuser Westafrikas ist. Deshalb kommen täglich viele Kranke nicht nur aus Kamerun und natürlich auch Aids-Kranke. Durch Prostitution verbreitet sich der Virus sehr schnell. Prostitution ist oft der einzige Ausweg fuer vollkommen Mittellose an Geld yu kommen. Im Family Life Office sagen sie, dass es in fast jeder Familie einen HIV-Infizierten gibt. Jeder zweite Todesfall hat vermutlich Aids zur Ursache. Wenn nun ein Elternteil oder beide sterben oder zu krank sind um zu arbeiten, können auch die Kinder nicht mehr richtig versorgt werden, geschweige denn in die Schule gehen. Es gibt hier sehr viel allein stehende Mütter und Waisen. Aids ist also eine der Hauptursachen für Armut.
Die Mitarbeiter im Family Life Office sind eigentlich machtlos, denn was können sie anderes tun als über Aids aufzuklären und sich um die Hinterbliebenen der Aids-Opfer zu kümmern?

Am letzten Sonntag war eine „memorial mass“, ein Gedenkgottesdienst in unserer Gemeinde. Eine Frau hat innerhalb der letzten zwei Jahre ihren Mann und ihre drei Kinder verloren. Darüber gesprochen, an was sie gestorben sind, wurde nicht. In der Öffentlichkeit will man nicht über die allgegenwärtige Gefahr sprechen.
Ich wurde gefragt: „Warum hat Gott Aids den Afrikanern geschickt?“ – Bei dieser Frage schwingt der kleine Zusatz mit: „und nicht den Europäern?“ – Die Antwort ist unergründbar, denn es wäre die Antwort auf die Ungerechtigkeit in der Welt.
Im Family Life Office werde ich die nächste Woche arbeiten bis am 6. September die Schule beginnt. Dann werde ich im St. Augustin’s College Mathematik und Deutsch unterrichten, aber weiterhin die Möglichkeit haben bei Aktivitäten im Family Life Team mitzuhelfen.
Viele Grüße Maximilian

Dienstag, 17. August 2010

Eindrücke der ersten Woche

Am Sonntagmorgen, den 8. August, kommen wir in Kumbo an. Der Fahrer hat uns erfolgreich über die letzten Kilometer roter und löchriger Straße gebracht, die so glatt wie Schmierseife ist. Da es Sonntagmorgen ist, sieht man am Wegesrand eigentlich die gesamte christliche Bevölkerung entlang pilgern. Sie kommen vom Gottesdienst. Alle, besonders die Frauen sind auf das Feinste herausgeputzt. Jede erstrahlt in anderen Farben und irgendwie schaffen sie es, dass ihr langes afrikanisches Kleid und die hohen schwarzen Schuhe, nicht dreckig werden. Und das ist während der Regenzeit, wenn man im Matsch über eine Pfütze nach der anderen springt gar nicht einfach, wie wir selbst erfahren dürfen.


Kathetrale von Kumbo und der Platz davor

Kumbo ist eine Stadt aus mehreren Stadtteilen, die sich über verschiedene Täler und Hügel erstrecken. Auf dem höchsten Hügel liegt der Bischofspalast, das ist ein größeres Haus, das fast europäischen Standart hat. Alles ist gepflegt und zwei Gärtner sind damit beschäftigt einen englischen Rasen zu erhalten. Insgesamt wird der hohen Geistlichkeit Kumbos ein sehr komfortables Leben ermöglicht, was für uns nicht ganz verständlich ist, weil die Unterschiede zwischen Stadt und Bischofshügel schon gewaltig sind.
Die Priester und Schwestern sind aber alle sehr herzlich und freundlich. Vor allem haben sie viel Humor und lachen eigentlich bei jeder Gelegenheit. Heute Morgen durften wir mit dem Kardinal von Douala frühstücken, der gerade auch hier zu Gast ist.
Zum Frühstück gibt es hier weißes Brot (eine Mischung aus Toast und Hefezopf), Orangenmarmelade, Honig, Omelett, Bananen, sehr süße Ananas, Kaffee, Tee (alles Produkte aus der Region). Die Milch gibt es in Pulverform zum Auflösen, weil Frischmilch nur sehr selten ist und nicht transportiert bzw. aufbewahrt werden kann.
Ein traditionelles kamerunisches Frühstück ist „Poffpoff“ und Bohnen. Poffpoff sind kleine in Palmöl gebackene Teigbällchen, ähnlich wie Berliner nur viel sättigender. Sie schmecken sehr gut!

Für die erste Woche sind noch die zwei Freiwilligen des letzten Jahres da. Zum Glück muss man sagen, weil sie uns erst einmal zeigen, wie wir überhaupt zum Markt kommen. Der große Markt hier heißt „Mbveh“, wo es alles gibt. Ansonsten hat jeder Stadtteil seinen eigenen kleinen Markt, auf denen man die Sachen für den täglichen Bedarf erledigen kann.
Wir starten also zum Mbveh. Dazu brauchen wir ein Taxi, ein Motorbike, das man mit Zischlauten auf sich aufmerksam macht. Zum Markt kostet es 100 Franc pro Person, das sind ungefähr 15 Cent. Abgesehen davon, dass es zum Mbveh sehr weit ist, würden die Kameruner es nicht verstehen, wenn man läuft, obwohl man das Geld dazu hat. Blick auf den Mbveh
Sobald wir sitzen geht es los. In einem rasanten Tempo
(Motor ausgeschaltet) geht es im Slalom den Berg hinunter.


Der Mbveh selbst ist riesig. In dem Labyrinth aus Gässchen kann man sich sehr schnell verlaufen. Zum Glück haben wir zwei dabei, die sich auskennen. Wir quetschen uns also in die ein Meter breiten Gässchen, in denen sich die ca. zwei Meter breiten Stände entlang reihen. Man muss aber eigentlich die ganze Zeit die Augen auf den Boden richten, weil durch diese Gässchen auch das Regenwasser abläuft. Bei Regen verwandeln sie sich in einen reisenden Bach. Wir staksen also eher durch ein ausgetrocknetes Bachbett (auch hier kann eine Kamerunerin mit fünf Zentimeter Absätzen problemlos vorankommen).

S0 sehen die Gassen aus! _____Werkzeuge

Die einzelnen Stände sind ca. fünf bis zehn Quadratmeter groß und voll gestopft bis an die Decke. In jeder Gasse sind andere Stände angesiedelt. So gibt es welche mit allen erdenklichen Stoffen, woanders die Schneider dazu. Am Sonntag haben wir gleich unsere ersten Stoffe gekauft, um uns ein traditionelles Kleidungsstück schneidern zu lassen. Die Auswahl an Mustern der afrikanischen Stoffe ist riesig. Man weiß gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll.
Die Schneiderin ist echt zu bewundern. In einem fünf Quadratmeter großen Raum stehen zwei Nähmaschinen, wie sie in Deutschland zur Dekoration noch manchmal zu finden sind. Cirka sechs Mädchen sind damit beschäftigt zu bügeln (mit einem Kohlebügeleisen), mit der Hand zu nähen oder zuzuschneiden. Und das alles bei ein wenig Licht, das durch die kleine Tür fällt, weil: Es ist wieder einmal Stromausfall.
Wenn man etwas geschneidert haben will, wird man vermessen, beschreibt der Schneiderin, wie man es haben will und dann ist es in drei bis fünf Tagen fertig. Stoff, Stoff, Stoff...


Die Scheiderin und ihre Helferinnen

Dann gibt es Läden mit Schuhen, Einrichtungsgegenständen und natürlich der Lebensmittelmarkt. Der Weg dahin führt jedoch durch die Gasse der Metzger. Ein Gestank ohne Gleichen, denn da hängt nicht nur der Rinderkopf und die Ziegendärme von heute Morgen, sondern da liegen auch die Schlachtabfälle von letzter Woche unter dem Tisch, sofern sie noch nicht von Hühnern und Fliegen verspeist wurden. Aber daran gewöhnt man sich. Immerhin wird dem Käufer hier live vorgeführt von welcher Ziege die Keule ist, die man kauft. Es gibt keine sterile Verpackung aus der Kühltheke.


Das ist ein Metzgersstand und ein besonders rutschiger Weg

Auf dem Lebensmittelmarkt sind die Frauen und verkaufen alles, was gerade so auf ihrem Acker wächst: von Mais, Kohl, Tomaten bis zu Bananen. Die Produkte sind aber Saison abhängig, z.B. gibt es Mangos nur zu Beginn der Regenzeit.
Etwas abgelegen findet man auch die kleinen Apotheken, in denen man alle möglichen Pülverchen, Blätter, Rinden und sonstige Heilmittel wie Talismane kaufen kann.
Es gibt also noch viel zu entdecken, von dem ich im Laufe des Jahres berichten kann.

Zu den Photos muss ich sagen, dass es leider sehr schwierig ist Bilder von Menschen zu machen. Viele wollen nicht bei ihrer alltäglichen Arbeit photographiert werden. Man muss immer vorher fragen. Deshalb habe ich von den belebten Gassen und Plätzen keine Bilder. Ich denke aber, dass man sich trotzdem einen Eindruck machen kann.

Am Donnerstagmittag waren wir unseren ersten Palmwein trinken. Das ist das kamerunische Nationalgetränk. Er wird in den kleinen Palmweinbars neben dem Mbveh ausgeschenkt, wo sich vor allem die Männer mittags treffen. Zur Gewinnung von Palmwein bringt der Palmweinzapfer an einer gefällten Raphiapalme ein Gefäß an, in dem die austretende Flüssigkeit aufgefangen wird. Wegen der hohen Temperaturen beginnt dieser Palmsaft schnell zu gären. Der Palmwein schmeckt ähnlich wie Federweißer. Je länger er steht desto alkoholischer und saurer wird er. Der Palmwein wird täglich frisch hergestellt, d. h. man geht möglichst früh am Tag in eine Palmweinbar, um noch etwas abzubekommen.
Den Palmwein gibt es in 1,5 Literflaschen. Eine kostet 100 Franc (15 Cent). Deswegen trinkt es auch jeder; es ist schließlich viel billiger als anderer Alkohol.
Die Männer sind sehr nett und freuen sich, dass wir da sind. Sie sagen, wenn der Palmweinkonsum statistisch erfasst würde, läge der Alkoholkonsum der Kameruner viel höher als der der Deutschen. Womit sie wahrscheinlich Recht haben.

Soweit zur ersten Woche. Wie Ihr lesen Koennt: Hier ist ganz schoen viel los.
Am Samstag sind wir in unser Haus eingezogen, in dem wir das kommende Jahr leben werden. Davon werde ich das naechste Mal erzaehlen.
Liebe Gruesse aus dem regnerischen Kumbo
Maximilian








Strassen von Kumbo

Mittwoch, 11. August 2010

Abenteuerliche Anreise

Es ist der sechste August 2010. Wir sitzen im Flugzeug in Richtung Douala, das zwar mit einer einstündigen Verspätung aus Paris gestartet ist, sich aber als sehr komfortabel erweist. Besonders beeindruckend ist unser stundenlanger Flug über die Sahara, die endlose Weite der mit Sanddünen durchzogenen leblosen Landschaft.
20 Uhr, es ist stockfinster, aber einige Lichter zeigen uns, dass Douala sich über eine große Fläche erstreckt.
Bis jetzt hat alles gut geklappt.
Ja bis jetzt, denn kaum sind wir auf kamerunischen Boden gelandet, werden wir erst einmal von einer unvorstellbaren Schwüle regelrecht umarmt, die uns auch so schnell nicht loslassen wird (28°C, 98% Luftfeuchtigkeit). Auf der Haut bildet sich sofort eine Schicht aus Kondenzwasser; alles klebt.
Vor der Passkontrolle wird uns bewusst, dass wir fast die einzigen Weißen auf dem Flughafen zu sein scheinen. Bei der Gepäckausgabe werden wir bereits von einem ziemlich aufdringlich netten Menschen empfangen, der unbedingt unsere Koffer schieben muss. Nun ja, nachdem nach einer halben Stunde auch der letzte Koffer gemächlich auf das Gepäckband rollt, kann’s losgehen. Raus nach Douala und unsere Freunde aus Kumbo treffen!
Leichter gesagt als getan. Sobald wir durch die Tür gekommen sind, wächst die Zahl unserer Begleiter stetig an bis auf ungefähr acht Personen, die alle wissen wollen, wer uns abholt und wohin wir wollen.
Da wir als Mittelpunkt einer Menschentraube nicht gerade unauffällig sind und der Flughafen in Douala die Größe eines mittleren Bahnhofs hat, sind wir nicht zu übersehen, aber leider kommt niemand auf uns zu, um uns zu begrüßen oder wenigstens ein Schild hochzuhalten. Nach einer weiteren halben Stunde schaffen wir es endlich, allen klar zu machen, dass wir kein Taxi wollen und dass wir abgeholt werden.
Spätestens dann versuchen sämtliche Männer um uns herum, die Telefonnummern durchzuprobieren, die wir so zu bieten haben. Mit dem Ergebnis das die Handynummer von Bernard, unserem Verantwortlichen aus Kumbo, „n’existe pas“.
Wir werden sehr bevorzugt behandelt und erst einmal in das flughafeneigene Café geführt. Nach mehreren Stunden zahlloser Versuche, von uns, sowie von den Kamerunern, jemanden zu erreichen, Gesprächen mit einem netten Polizisten und den wildesten Vorschlägen, was jetzt zu tun sei, wird uns klar, dass wir heute vielleicht doch nicht abgeholt werden. Die Situation als erstes Erlebnis in Kamerun wird später nicht umsonst von einem Priester als „unsere Feuertaufe“ bezeichnet: Man sitzt mit all seinem Gepäck alleine in einem kleinen Flughafen in Kamerun, weiß nicht wohin und wem man vertrauen soll. Kurz: Wir fühlten uns ziemlich verloren.
Mehrfach bekommen wir gesagt, dass der Flughafen irgendwann zumacht und wir da nicht bleiben können. Irgendwann entscheiden wir dann doch auf die Vorschläge einzugehen und uns ein günstiges Hotel für die Nacht zu suchen.
Aber, Gott sei Dank, treffen wir am Ausgang auf einen katholischen Priester und eine Frau, die ihrerseits auf zwei Gäste aus Spanien warten.

Welch ein Glück! Es ist eine sehr reiche Kamerunerin, die freundlich ist und uns anbietet, bei ihr zu übernachten.
Nachts um drei Uhr dürfen wir unser erstes kamerunisches Essen genießen. Für uns wird ein riesiges Menü aufgefahren. Aber da die Familie reich ist, gibt es viel westliche Produkte: Reis, Kartoffeln, französischer Rotwein, doch kamerunsches Huhn und Gemüse (unter anderem Bohnen, Tomaten, Kohl).
Nach vier Stunden Schlaf in einem komfortablen Zimmer gibt es Frühstück und welch eine Überraschung, Bernard kommt zu uns. Der Priester hat morgens den Bischof von Kumbo angerufen und der war sehr überrascht, wo wir sind. Wegen einer Panne konnte Bernard und der Fahrer nicht rechtzeitig am Flughafen sein. Außerdem waren sie in einem Funkloch, sodass wir sie nicht erreichen konnten. In ein paar Monaten werden wir wohl sagen. „Typisch Kamerun!“
Wir verabschieden uns und bedanken uns bei der Frau und ihrer Familie, die uns so nett aufgenommen haben. Jetzt könnte die Reise nach Kumbo eigentlich losgehen, aber wir haben Regenzeit. Das heißt es regnet und zwar ungefähr soviel wie bei einen starken Gewitter in Deutschland, nur über mehrere Stunden und das mehrmals am Tag. Also warten wir. Um ein Uhr können wir endlich los, doch vorher besuchen wir die Schwester von Bernard und ihre Familie, die sich sehr geehrt fühlen, dass wir ihr Haus besuchen. Doch leider bin ich so müde, dass ich die Konzentration nicht aufbringen kann, um dem afrikanischen Englisch des Hausherrn zu folgen. Die Ausführungen über das kamerunische Gesundheitswesen und wie vorteilhaft doch die deutsche Krankenversicherung ist, lassen wir deshalb von Brigitte kommentieren. Aber soviel kann ich sagen, die Deutschen werden über alles gelobt: „Die Deutschen sind für alles Vorbild, denn sie arbeiten sehr hart. Wenn man sich alleine die Brücken und Gebäude anschaut, die die Deutschen gebaut haben! Also ganz anders als die Franzosen.“ Die deutsche Kolonialzeit ist also durchweg in guter Erinnerung.
Nachdem wir unsere französische Erdbeermilch ausgetrunken haben, geht es doch endlich los in Richtung Bamenda. Die Straße ist asphaltiert! Dieses Frühjahr wurden mehrere Abschnitte neu gemacht, wie uns gesagt wird.
Wir fahren an Bananen-, Kakao- und Kaffeplantagen vorbei, hauptsächlich Bananen. Umso weiter wir fahren, desto kühler wird es, denn im „Nord-Westen, da ist es kalt“. Das ist wie „winter without snow“. Wir finden es angenehm.














So gruen ist Kamerun!


Der Straßenverkehr an sich ist eine eigene Geschichte wert. Nur soviel: In Kamerun gibt es keine Verkehrsregeln, aber trotzdem gelingt es unserem Fahrer mit über 100 km/h um jedes Schlagloch und jede Ziege herumzufahren. Besonders mulmig wir es einem, wenn man auf der linken Spur in eine Linkskurve bergauf fährt (weil diese Seite der Fahrbahn nicht so viele Schlaglöcher hat) und einem ein LKW entgegenkommt. Aber dafür gibt es ja eine Hupe. Also vor einer Kurve oder Überholen wird immer gehupt.

Man kommt von einem Dorf in das nächste, eigentlich ist die gesamte Straße von Häusern gesäumt. An jedem Straßenhubbel stehen Frauen und Kinder und verkaufen kamerunisches Fastfood: Bananen und Maniok, das ist ein Wurzelgemüse, das geschält, getrocknet, dann zu Brei gekocht und schließlich kalt zu einer Wurst gerollt eine feste, weiße Masse ist. Die Konsistenz ist fest und es schmeckt säuerlich (gewöhnungsbedürftig). Verpackt ist Maniok in Palmblättern.
Wir schaffen es leider nicht an diesem Tag bis Kumbo zu fahren, denn um halb sieben wird es dunkel und es ist sehr gefährlich nachts zu fahren. Deshalb übernachten wir in einem kleinen Hotel in Bamenda.
Fastfood: gefuellter
Ziegenmagen

Es ist zwar sehr schön, dass man in diesem Hotel Strom hat, jedoch ist der Generator so laut, dass man nur Ohropax schlafen kann.
Am nächsten Morgen geht es früh los. Je schlechter die Straßen werden, umso näher kommen wir unserem Ziel: Kumbo!

Für die erste Woche bis wahrscheinlich Mittwoch sind wir Gäste des Bischofs und wohnen im Bischofspalast.
Ich werde bald von unseren ersten Erfahrungen aus Kumbo berichten!
Viele Grüße Maximilian


Kumbo
mit Kathetrale im Zentrum