Samstag, 28. Mai 2011

Mount Cameroon

Im März besteigen wir den Kamerunberg. Unser Ausgangspunkt ist Buea. Das ist die Hauptstadt der Provinz Süd-West mit der einzigen englischsprachigen Universität des Landes und war die Hauptstadt der ehemaligen deutschen Kolonie Kamerun. Deshalb findet man neben dem Gouverneurspalast, dem Puttkamerschloss, auch noch weitere Gebäude, die vor 1916 erbaut wurden.


Buea ist sehr schön gelegen. Von 1000m über dem Meeresspiegel blickt man geradeaus auf den Atlantik und im Rücken hat man den 4010m hohen Kamerunberg, die höchste Erhebung Westafrikas. Dieser ist ein Bergmassiv mit mehreren Gipfeln und Kratern. Denn er ist ein sehr aktiver Vulkan, der zuletzt 1999 und 2000 ausgebrochen ist. (Die Ausbrüche sollen mit dem Tod des Häuptlings von Buea zusammenhängen.)
Am Tag bevor es losgeht müssen wir einkaufen, um während unserer dreitägigen Wanderung nicht zu verhungern und vor allem nicht zu verdursten. Wir haben eine organisierte Tour, da der Kamerunberg ein Nationalpark ist. Am nächsten Morgen sind wir alle pünktlich um sieben Uhr abmarschbereit. Wir, das bedeutet fünf Deutsche, eine Schweizerin und unsere Träger. Es fehlt nur unser Führer Hans. Da er in dieser Nacht Vater seines vierten Kindes geworden ist, taucht er erst um neun Uhr auf. Seine Verfassung ist wenig vertrauenserweckend. Auf die Frage, ob es diese Nacht wohl ein paar Bier zu viel waren, antwortet er: „Nein, Gin!“ Der Organisator will uns beruhigen und sagt, wenn er ein paar Stunden gelaufen sei, hätte er den Alkohol wieder raus geschwitzt. Wir sollten froh sein, dass er überhaupt gekommen ist. Was bleibt uns anderes übrig? Also gehen wir mit einem betrunkenen Führer los, den Kamerunberg zu besteigen.
Der Weg ist sehr gut und breit. Vor zwei Wochen war nämlich das „Guinness-Mountain-Race“, eines der härtesten Bergrennen der Welt. Für Auf-und Abstieg, den wir in drei Tagen bewältigen, brauchte der Beste vier Stunden. Da muss man schon gut trainiert sein, denn wenn man nach sechs Stunden den Gipfel nicht erreicht hat, wird man disqualifiziert.
Zuerst führt der Aufstieg durch den tropischen Bergregenwald. Dieser ist einzigartig auf der Welt. Die Regenwolken bleiben in den Bäumen des Berghangs hängen und sorgen für eine immer feucht-warme Luft. Es gibt viele endemische Pflanzen- und Tierarten, wie Orchideen und Schmetterlinge.
Schwitzen ist gar kein Ausdruck dafür, wenn man in dieser Waschküche bergauflaufen muss. Aber nach dem Mittagessen und einigen weiteren Höhenmetern erreichen wir die Baumgrenze. Es wird sehr viel steiler und hohes Gras bedeckt den steinigen Boden. Die Wolken ziehen mit hoher Geschwindigkeit an uns vorbei den Berg hinauf. Doch bevor wir ihnen folgen dürfen, müssen wir den Berg, der die Gottheit Embassamoto verkörpert, mit einem Tanz milde stimmen. Sonst könnte er ja zornig werden und Feuer spucken.



Hans‘ Alkoholpegel ist wohl langsam wieder gesunken, denn er hat seinen Platz als Schlusslicht der Gruppe gewechselt und läuft nun vorneweg. Nach ein paar Stunden erreichen wir die erste Hochebene. In einer kleinen Mulde liegt eine Hütte, wo wir auf 2400m die erste Nacht verbringen werden. (Laut Reiseführer müsste diese Hütte auf den Kameruner Alpenverein zurückgehen, der sich um die Jahrhundertwende gegründet hat.) Der Ort ist einigermaßen windgeschützt, sodass die kalten Böen über die Hütte hinweg wehen. Wie geplant ein Zelt aufzubauen, scheint aber beim besten Willen nicht möglich zu sein. Also nehmen wir vorlieb mit den Ratten in der Wellblechhütte.
Einer der Träger kocht Gari und Okra-Tomatensoße und weil es draußen immer ungemütlicher wird und wir am nächsten Morgen um sechs los wollen, verkriechen wir uns ziemlich bald in unsere Schlafsäcke.

Am nächsten Morgen klappt es ohne Verspätungen. Alles wird wieder in den Rucksäcken verstaut und dann geht es weiter hinauf. Man weiß nicht, ob man seine Jacke anziehen soll oder nicht, denn beim Laufen schwitzt man. Der Wind jedoch ist eisig. Dieser steigert sich je höher wir kommen. Als wir uns gegen Mittag dem Gipfel nähern, habe ich alle meine warmen Jacken und Pullis an, die ich in Kamerun so besitze. Aber dennoch ist es im wahrsten Sinne des Wortes „arschkalt“. Die Landschaft hat sich nochmals gewandelt. Wir laufen über vulkanisches Gestein, das spärlich mit Flechten und Gräsern bewachsen ist. Schließlich erreichen wir den Krater des Ausbruchs von 2000. Es raucht immer noch und wir sehen die riesigen Gesteinsbrocken, die der Vulkan ausgeworfen hat.


Die letzten Meter hinauf zum Gipfel sind die schwersten. Das hängt mit dem Wind zusammen. Leider können wir die Windstärke nicht messen, aber Hans meint, so stark sei der Wind normalerweise nicht. Wir wandern über einen schmalen Grad, hören unser eigenes Wort nicht mehr und müssen uns gewaltig gegen die Kraft der seitlich kommenden Luftmassen stemmen, dass wir nicht links den Hang hinunterrutschen.

Schließlich sind wir auf 4010 Metern angekommen! Unser Verweilen reicht nur für ein kurzes Foto, auf dem niemand das Gesicht zu einem Lächeln verziehen kann und dann machen wir uns, getrieben von der Kälte, an den Abstieg.

Die andere Seite des Berges offenbart uns noch einmal eine ganz andere Landschaft. Wir rutschen mehr als das wir laufen durch schwarze Vulkanasche den Hang hinab. Auf der Ebene, die wir erreichen, ist vom Wind nichts mehr zu spüren. Wir machen nun eine Rast, stärken uns und dann geht es schon weiter über erkaltete Lavabrocken, die kantig spitz sind. Außer dem kaum zu erkennenden Pfad ist das Land soweit das Auge reicht von Menschen und auch Tieren unberührt. So stellt man sich eine Mondlandschaft vor.

Nachdem wir die Ebene verlassen haben, erreichen wir die Krater aus dem Jahr 1999. Es sind viele symmetrisch aufgeschüttete Kegel aus kleinen Steinen. In der Ferne erkennt man das Meer. Je weiter wir bergabsteigen, umso grüner zeigen sich uns die Hügel ehemaliger Krater. Die Sonne neigt sich bereits dem Horizont, als wir die Baumgrenze und ein kleines Wäldchen erreichen, in dem wir übernachten werden. Wir schlagen unsere Zelte auf und können uns sogar an einer Quelle, der ersten Wasserstelle nach Verlassen des Regenwaldes, waschen. Diese Quelle heißt „Mann-Spring“. Hans erklärt uns, dass sie nach ihrem Entdecker, einem deutschen Naturforscher namens Mann, benannt ist.
Zum Abendessen gibt es Spaghetti. Besonders die Träger freuen sich bestimmt darüber, denn nach dem zweiten Tag hat sich das Gewicht unserer Lebensmittelvorräte erheblich reduziert. Wir sind sehr froh, dass sie dabei sind, allein um die neun Liter Wasser pro Person zu tragen. (Sie haben übrigens die gesamte Wegstrecke in Flipp-Flopp zurückgelegt.)

Am nächsten Morgen packen wir unsere Zelte wieder ein und dann laufen wir durch den Regenwald zurück in Richtung Buea. Der Pfad ist schmal und an manchen Stellen muss man aufpassen auf der feucht-glitschigen Erde nicht auszurutschen und hinzufallen. Auf dem Weg gibt es interessant aussehende Wurm- und Raupenarten zu bestaunen, von größeren Tieren wie Affen oder Waldelefanten sehen wir aber nichts. Wir überqueren den Lavastrom von 1999, der inzwischen erkaltet ist und bis fast an die Küste reicht.
Die letzten Stunden ziehen sich sehr lange. Man merkt schon in den Muskeln und Gelenken, dass man sie drei Tage lang ununterbrochen beansprucht hat. Der Weg führt vorbei an Yams-Feldern und wild wachsenden Engelstrompeten, bis wir schließlich die ersten Häuser von Buea erreichen. Von hier nehmen wir ein Taxi durch die Stadt zurück zu unserem Ausgangspunkt.
Nach dem Abschlussfoto geht’s ins Hotel und wir schlafen erst mal.

Wir haben es alle geschafft! 60 Kilometer und 3000 Höhenmeter haben wir überwunden. Und darüber hinaus sind wir trocken geblieben. Es gehört schon ein wenig Glück dazu in der zweitregenreichsten Region der Welt innerhalb von drei Tagen nicht nass zu werden.
Trotz Anstrengung ist die Besteigung des Kamerunberges vor allem durch Landschaft und Natur eines meiner schönsten Erlebnisse in Kamerun.

Samstag, 14. Mai 2011

Sabongari

Zwei Monate habe ich in Sabongari gelebt und im Health Centre gearbeitet. Sabongari ist eine Pfarrei beziehungsweise eine Region im Osten des Bistums. Im Norden grenzt sie an Nigeria. Die Landschaft ist ganz anders zu Kumbo. Es liegt nicht ganz so hoch, sondern auf einem Plateau, dem Adamaoua-Plateau, das sich über Ngaoundéré in den äußersten Osten Kameruns erstreckt.
Dementsprechend ist auch das Klima: Sehr heiß, aber meistens trocken. Das Land ist flach und sandig. Umrahmt ist Sabongari von hohen Bergen. Reisfelder und Ölpalmen prägen das Bild.



Die Region Sabongari besteht aus 24 kleineren Dörfern (zum Beispiel Nwa, Gwa, Limboh, Atar), für mich ist allerdings nicht ersichtlich, wo das eine aufhört und das andere anfängt. Die Bevölkerung setzt sich aus 7 Stämmen zusammen, die grundverschiedene Sprachen sprechen und sich im Aussehen unterscheiden. Um sich zu verständigen, können die meisten Menschen Ansätze von Pidgin-Englisch sprechen. Da Sabongari aber auch an der Grenze zum französischsprachigen Teil liegt, wird die Verständigung nochmals erschwert. Einer der größten Stämme sind die der Volksgruppe der Fulani angehörigen Mbororo. Das sind ehemalige Nomaden, die abgegrenzt von den anderen Stämmen von der Rinderzucht leben. Da deren Kinder meistens nicht die Schule besuchen, sprechen sie auch kein Englisch.
Meiner Meinung nach spiegelt Sabongari sehr gut die Situation ganz Kameruns wieder. Hier können sich die sieben Stämme noch nicht einmal auf einen Häuptling einigen, wie soll dann in Kamerun mit 215 Ethnien ein demokratisch gewählter Präsident gefunden werden?
Die meisten Kinder besuchen aber die Schule und lernen ein einigermaßen gutes Englisch.
Die Region ist sehr arm. Fast alle leben von ihrer Farm und den Erzeugnissen, die sie auf dem Markt verkaufen können. Das liegt vor allem an der Abgelegenheit der Region. Die nächst größerer Stadt ist das 100km entfernte Kumbo über eine Straße, die dank EU-Hilfen jetzt mit dem Auto befahrbar ist. Trotzdem kostet eine Fahrt 3500 Francs (5,40€), ein kleines Vermögen. Auf einer meiner Rückfahrten nach Kumbo war der arme Toyota Corolla sehr vollgestopft: 11 Personen, nein ich muss mich verbessern: 10 Personen und ein Mbororo (Angehörige dieses Volksstamms werden nämlich von den Fahrern nicht als Personen gezählt), zwei Ziegen, vier Hühner und das ganze Gepäck, was unter anderem eine Staude Kochbananen, getrocknete Fische oder wie in meinem Fall 32 Bobolo sein können. (In Sabongari gibt es 8 Bobolo nämlich für 100 Francs. In Kumbo bezahlt man für drei 100 Francs und sie sind bei weitem nicht so gut.)



Die Menschen sind auch hier sehr freundlich, aber meistens etwas zurückhaltender als in anderen Regionen Kameruns. Freunde habe ich aber trotzdem gefunden. Zum Beispiel Okoro Nathaniel Chibuike (ich mag den Namen), der aus Nigeria stammt. Momentan schreibt er seine Examen in der Secondary School. Da sein Vater tot ist und seine Mutter mit den Geschwistern in einem nigerianischen Dorf lebt, muss er sein Schulgeld selbst verdienen. Er hat ein kleines Geschäft gemietet, in dem er auch lebt. Dort bietet er Glaserarbeiteten an, rahmt Bilder, repariert Fenster und schneidet Spiegel zu. Nach diesem Schuljahr will er aber auf jeden Fall wieder zurück nach Nigeria. Studieren? Das kann er sich nicht leisten, aber er möchte ein berühmter Sänger werden, wenn das nicht klappt, will er im großen Stiel getrocknete Chilischoten von Kamerun nach Nigeria verkaufen.
Mit allen Freunden kann ich mich lange unterhalten und wir klären uns gegenseitig über unsere jeweilige Kultur auf. Zum Beispiel sind sie ganz erstaunt, dass ich als Weißer „real food“ esse. In westlichen Filmen würden alle nämlich nur Salat essen. Bei anderen Themen können wir uns nicht so ganz einigen, denn wieso ist es schlecht Affenfleisch zu essen? Gerade schwangere Frauen müssen ein wenig Affenfleisch essen, sonst wird das Kind schwachsinnig.

Ich wohne in der katholischen Mission bei den Schwestern. Die Mission besteht aus einer kleinen Kirche, dem Pfarrhaus, in dem die zwei Pfarrer wohnen, und dem Konvent. Gleich daneben befinden sich das Health Centre und eine Schule, die von zwei der insgesamt vier Schwestern gerade aufgebaut wird. Diese Schule ist in erster Linie für Mädchen gedacht. Das Schulgeld ist gering und sie lernen neben den üblichen Unterrichtsfächern auch Nähen und Kochen. Das soll dazu beitragen, dass mehr Mädchen eine weiterführende Schule besuchen.
Die Schwestern kommen aus unterschiedlichen Regionen Kameruns und so kann ich viele verschiedene Gerichte essen. Zum Beispiel „Kwa-Coco-Bible“. Das sind gekochte und geriebene Cocoyams, die mit allem, Palmöl, Fisch, Chili gemischt und in Bananenblätter gwickelt nochmals gekocht werden. Deswegen heißt es „Bible“, weil in der Bibel auch alles drinsteht. Es gibt immer reichlich und natürlich Früchte, die in Sabongari so gut wie nirgendwo sonst wachsen, Ananas, Papaya, Mango und Zuckerrohr! Abends sitzen wir mit den Pfarren zusammen und machen Zuckerrohrwettessen, was ganz schön schwierig ist, denn Zuckerrohr ist sehr hart, aber mittlerweile habe ich die richtige Technik gefunden und mich zu einem schnellen Zuckerrohresser entwickelt. Mit meinem selbstgebackenen, „salzigen“ Sauerteigbrot können sie sich jedoch nicht anfreunden.
Morgens besuche ich um sechs Uhr die Messe oder gehe manchmal joggen. Das ist sehr schön, wenn man im Sonnenaufgang durch die Reisfelder joggt. Leider muss man stets rechts und links mit „morning ohh!“ grüßen. Danach gibt es Frühstück und um halb acht fängt die Arbeit im Health Centre an.

Arbeit im Health Centre


Das Health Centre St. Kizito wird von den “Sisters of St. Therese” geleitet. Es ist eine Art Krankenhaus. Wir haben Krankensäle für Männer, Frauen und Kinder mit jeweils acht Betten, eine Apotheke, ein kleines Labor, einen Raum, der gleichzeitig als Empfangs-, Behandlungs- und Schwesternzimmer fungiert und einen Kreissaal, der durch Bretter von der Neugeborenenstation abgetrennt ist. Eigentlich ist also alles da, was man so braucht, nur eben kein Arzt. Aber dafür leisten die Krankenschwestern alle Arbeit. Außer Sister Theresia, die das Health Centre leitet, gibt es noch drei Krankenschwestern, die sich in Zwölfstunden-Schichten abwechseln, weil immer eine Schwester da ist. Die Apotheke wird von einer weiteren Ordensschwester geführt und das Labor von einer jungen Labortechnikerin. Dann gibt es noch zwei Hausmeister, die im Notfall auch als Geburtshelfer zur Verfügung stehen oder als Dolmetscher, denn die Schwestern beherrschen auch nicht die Stammessprachen.
Es ist echt zu bewundern, dass die Krankenschwestern von der Hebamme bis zu kleinen chirurgischen Eingriffen alles machen, was gerade anfällt. Wenn sie einmal nicht weiter wissen, ist es auch nicht schlimm, denn die Ausstattung wäre sowieso nicht vorhanden, um kompliziertere Krankheiten zu behandeln. Die häufigsten Krankheiten sind ohnehin bedingt durch das Klima Malaria und bedingt durch die nicht vorhandene Wasserversorgung Typhus und Parasiten.







Dann muss man nur noch warten, dass die Patienten kommen. Wenn man davon ausgeht, dass allein „Sabongari-Stadt“ 4000 Einwohner hat, müsste man meinen, dass das Health Centre immer voll ist. Das ist aber nicht der Fall. Wenn jemand in einem Dorf krank wird, wartet er erst einmal ab, ob es wirklich so schlimm ist, dann lässt er sich ein günstiges Antibiotikum auf dem Markt andrehen und wenn das auch nicht hilft, nimmt er den mehrstündigen Fußmarsch ins Health Centre auf sich. Dass dann vor allem Kinder das Health Centre nicht mehr lebend erreichen, erklärt sich wohl von selbst.
Wenn jemand zum Health Centre kommt, wird er im besagten Allzweckzimmer untersucht, was für jeden 200 Francs kostet (0,31€). Hier kann ich Fieber- und Blutdruckmessen, Wiegen und versuchen zu verstehen, was der Patient uns sagen will. Die Schwester schreibt die notwendigen Tests auf, die der Patient nach Bezahlung im Labor durchführen lassen kann. Auf Malaria wird grundsätzlich getestet, was in über 70% der Fälle auch positiv ist. Ein Malariatest, Bestimmung des Hämoglobinwerts und der Anzahl der weißen Blutkörperchen und Untersuchung des Stuhls kostet zum Beispiel 1400 Francs (2,08€). Nach erhalten des Testergebnisses verschreibt wiederum die Schwester die Medikamente, die den allergrößten Teil einer mehrere-tausend-Francs-Rechnung ausmachen. Im Labor mache ich sehr viel und habe auch schon viel gelernt, wie zum Beispiel Wurmeier unter dem Mikroskop zu differenzieren. Mit einem alten Mikroskop, ein paar Teststreifen und Chemikalien kann man schon viel machen. Wir führen sogar Bluttransfusionen durch.
Bei manchen Patienten kann man ihnen nur sagen, dass es besser wäre nach Kumbo ins Krankenhaus zu gehen und einen Arzt zu konsultieren. Die meisten gehen jedoch dann nach hause und sterben dort. Oder ein anderes Beispiel ist ein Junge, der sich den Arm gebrochen hat. Sister Theresia schreibt aber nur ein Antibiotikum auf und schickt ihn dann nach hause. Auf meine Frage, warum sie den Bruch nicht richtet und einen Gips anlegt, antwortet sie nur: „Was soll ich mir die Mühe machen und einen Gips anlegen, er geht doch jetzt sowieso zu einem traditionellen Knochendoktor.“
Wenn ein Patient aufgenommen wird, kann ich das Bett vorbereiten. Manche ziehen es jedoch vor anstatt auf dem Bett auf einer Matte vor dem Bett auf dem Boden zu liegen. - Wie man es halt gewöhnt ist. Sister Theresia kann sich köstlich darüber aufregen, wie primitiv diese Menschen doch seien.
Die Nacht im Health Centre kostet 300 plus 50 Francs Gebühren fürs Licht. Wir haben nämlich Solar und somit fast immer Strom. Nur am Wasser hängt es ein bisschen. Die Mission hat ihren eignen Brunnen, aber dort muss man das Wasser immer pumpen. Immerhin ist das Wasser sauber.
Gepflegt, das heißt verköstigt und gewaschen, werden die Patienten von den Angehörigen. Das ist in Kamerun so üblich, auch in großen Krankenhäusern.
Dann gibt es etwa täglich eine Geburt, wo ich nicht so viel machen kann. Die Arbeit ist erst hinterher, wenn es ums Putzen geht. Außer einmal: Da musste ich der Gebärenden auch französisch übersetzen, was sie jetzt machen soll. Die 16jährige Mutter hatte ihre erste Geburt und konnte kein Englisch. Es ist überhaupt bemerkenswert, wie jung die Mütter sind. Das normale Alter liegt zwischen 14 und 21 Jahren. Nach der Geburt bleiben die Mütter mit ihren Babies noch eine Nacht zur Beobachtung da.
So sieht also der Alltag im Health Centre aus.
Einmal im Monat ist im Health Centre und an zwei „Outstations“ Impftag. Impfungen für Kleinkinder werden nämlich von der Regierung bezahlt. Die zwei „Outstations“ sind in Kimi und Lih, einfach damit die Mütter nicht soweit laufen müssen. Dort wir die kleine Kirche umgebaut: Auf dem Altar die Impfstoffe ausgebreitet und im Mittelgang eine Waage aufgehängt. Das ist immer anstrengend, weil um die sechzig Mütter mit Kindern unter einem Jahr kommen, die natürlich manchmal ihre Karte vergessen, den letzten Termin verpasst haben oder einfach nicht verstehen, was ich von ihnen will. (Mein Pidgin wird übrigens immer besser, auch wenn mein Englisch wahrscheinlich darunter leidet.)
Ich wiege die Kinder, ziehe Spritzen auf und verteile Schluckimpfungen. Als Pausenbrot gibt es Bobolo mit Egusi. Egusi sind geriebene Kürbiskerne, die mit Chili gewürzt und getrocknetem Fisch vermengt in Bananenblätter gewickelt in Wasser gekocht werden und dann kalt perfekt zu Bobolo passen.





Wie gesagt sind die Impfungen kostenfrei. Wie erklärt man aber einer Mutter, was eine Polioimpfung ist und dass sie wichtig für das Kind ist? Am besten versucht man es erst gar nicht, sondern sagt, dass es wichtig ist! Und um das zu verdeutlichen singen alle zusammen ein Lied. Zum Beispiel:
Attend clinic, attend clinic, oh attend clinic all the time!
To hear what they say and to do what is right, oh attend clinic all the time!
Attend clinic, attend clinic, oh attend clinic all the time!
To insure your health and to insure your baby’s health, oh attend clinic all the time!
Attend clinic, attend clinic, oh attend clinic all the time!
Die meisten Lieder sind aber in Pidgin, so wie dieses. Darin wird aufgefordert, die Babies zu stillen (Bobi heißt Brust):
Bobi eh, bobi eh, bobi ehe
make pickin he di grow fine.
Bobi eh, bobi eh, bobi ehe
make pickin he di know he mother.
Bobi eh, boi eh, bobi ehe!

Besuch bei Mbororo-Familien
An drei Tagen haben wir, Sister Theresia, Fidelis, der Hausmeister, und ich Mbororo-Familien besucht. Die wohnen teilweise gar nicht so weit vom Health Centre weg, nur durch ein Stück Urwald und über einen Bach ohne Brücke. Dann wird man sofort von den Fliegenschwärmen empfangen, die immer bei einer Rinderherde anzutreffen sind. Den Mbororos macht es gar nichts aus; sie scheuchen sie noch nicht einmal mehr weg, wenn sie zu zehnt auf dem Gesicht herumkrabbeln. Mbororos sind Moslems. Sie wohnen in einfachen grasgedeckten Lehmhütten, die teilweise aber sehr kreativ bemalt sind. Die Grasdächer scheinen dicht und innen sind sie mit dem Nötigsten ausgestattet. Besonders viele Töpfe kann man darin bewundern. Der Reichtum einer Frau zeigt sich nämlich in der Anzahl ihrer Töpfe, die sie mit in die Ehe bringt. Immer vier Häuser stehen zusammen und bilden den Hof einer Familie. Ein Haus für jede Frau eines Mannes. Ein älterer Mann zum Beispiel hat vier Frauen, 27 Kinder und bis jetzt 104 Enkel.
Die meisten Kinder fangen hysterisch an zu schreien und zu weinen, wenn sie mich sehen und suchen die Flucht, sobald ich mich auf fünf Meter nähere. Sie haben eben noch nie einen „white man“ gesehen. Für die Erwachsenen allerdings ist es eine Ehre, jedenfalls für die Männer. Ich hätte nie gedacht, dass eine erwachsene Frau sich vor Scham mit den Händen vorm Gesicht an eine Hauswand drückt und kein Wort herausbringt, obwohl sie Englisch spricht, was wir erfahren, als wir wieder gehen.
Ich verstehe meistens nicht viel, denn alles wird von Fidelis von Fulfulbe in Pidgin übersetzt. Manchmal von Sister Theresia dann für mich noch in Englisch. Überall machen wir Familienfotos und wir bekommen frische Milch geschenkt! So etwas kann man nämlich nicht kaufen. Sister Theresia ist ganz erstaunt, dass ich sie trinken möchte, denn sie hat im Leben noch nie Milch getrunken und hätte sie weggeschüttet.





Die ganzen Besuche dienen dazu, ein bisschen Werbung fürs Health Centre zu machen, Vertrauen herzustellen, damit die Mbororos in Zukunft vielleicht direkt ins Health Centre kommen, wenn sie krank sind.

Das ist ein Teil meiner Erfahrungen in Sabongari. Auch wenn ich täglich gar nicht so viel Neues erlebt habe, ist die Zeit sehr schnell vergangen. Eine Zeit, die ich genossen, in der ich noch einmal eine ganz andere Welt zu Kumbo kennengelernt und in der ich so viel mehr über die Menschen gelernt habe.