Samstag, 28. Mai 2011

Mount Cameroon

Im März besteigen wir den Kamerunberg. Unser Ausgangspunkt ist Buea. Das ist die Hauptstadt der Provinz Süd-West mit der einzigen englischsprachigen Universität des Landes und war die Hauptstadt der ehemaligen deutschen Kolonie Kamerun. Deshalb findet man neben dem Gouverneurspalast, dem Puttkamerschloss, auch noch weitere Gebäude, die vor 1916 erbaut wurden.


Buea ist sehr schön gelegen. Von 1000m über dem Meeresspiegel blickt man geradeaus auf den Atlantik und im Rücken hat man den 4010m hohen Kamerunberg, die höchste Erhebung Westafrikas. Dieser ist ein Bergmassiv mit mehreren Gipfeln und Kratern. Denn er ist ein sehr aktiver Vulkan, der zuletzt 1999 und 2000 ausgebrochen ist. (Die Ausbrüche sollen mit dem Tod des Häuptlings von Buea zusammenhängen.)
Am Tag bevor es losgeht müssen wir einkaufen, um während unserer dreitägigen Wanderung nicht zu verhungern und vor allem nicht zu verdursten. Wir haben eine organisierte Tour, da der Kamerunberg ein Nationalpark ist. Am nächsten Morgen sind wir alle pünktlich um sieben Uhr abmarschbereit. Wir, das bedeutet fünf Deutsche, eine Schweizerin und unsere Träger. Es fehlt nur unser Führer Hans. Da er in dieser Nacht Vater seines vierten Kindes geworden ist, taucht er erst um neun Uhr auf. Seine Verfassung ist wenig vertrauenserweckend. Auf die Frage, ob es diese Nacht wohl ein paar Bier zu viel waren, antwortet er: „Nein, Gin!“ Der Organisator will uns beruhigen und sagt, wenn er ein paar Stunden gelaufen sei, hätte er den Alkohol wieder raus geschwitzt. Wir sollten froh sein, dass er überhaupt gekommen ist. Was bleibt uns anderes übrig? Also gehen wir mit einem betrunkenen Führer los, den Kamerunberg zu besteigen.
Der Weg ist sehr gut und breit. Vor zwei Wochen war nämlich das „Guinness-Mountain-Race“, eines der härtesten Bergrennen der Welt. Für Auf-und Abstieg, den wir in drei Tagen bewältigen, brauchte der Beste vier Stunden. Da muss man schon gut trainiert sein, denn wenn man nach sechs Stunden den Gipfel nicht erreicht hat, wird man disqualifiziert.
Zuerst führt der Aufstieg durch den tropischen Bergregenwald. Dieser ist einzigartig auf der Welt. Die Regenwolken bleiben in den Bäumen des Berghangs hängen und sorgen für eine immer feucht-warme Luft. Es gibt viele endemische Pflanzen- und Tierarten, wie Orchideen und Schmetterlinge.
Schwitzen ist gar kein Ausdruck dafür, wenn man in dieser Waschküche bergauflaufen muss. Aber nach dem Mittagessen und einigen weiteren Höhenmetern erreichen wir die Baumgrenze. Es wird sehr viel steiler und hohes Gras bedeckt den steinigen Boden. Die Wolken ziehen mit hoher Geschwindigkeit an uns vorbei den Berg hinauf. Doch bevor wir ihnen folgen dürfen, müssen wir den Berg, der die Gottheit Embassamoto verkörpert, mit einem Tanz milde stimmen. Sonst könnte er ja zornig werden und Feuer spucken.



Hans‘ Alkoholpegel ist wohl langsam wieder gesunken, denn er hat seinen Platz als Schlusslicht der Gruppe gewechselt und läuft nun vorneweg. Nach ein paar Stunden erreichen wir die erste Hochebene. In einer kleinen Mulde liegt eine Hütte, wo wir auf 2400m die erste Nacht verbringen werden. (Laut Reiseführer müsste diese Hütte auf den Kameruner Alpenverein zurückgehen, der sich um die Jahrhundertwende gegründet hat.) Der Ort ist einigermaßen windgeschützt, sodass die kalten Böen über die Hütte hinweg wehen. Wie geplant ein Zelt aufzubauen, scheint aber beim besten Willen nicht möglich zu sein. Also nehmen wir vorlieb mit den Ratten in der Wellblechhütte.
Einer der Träger kocht Gari und Okra-Tomatensoße und weil es draußen immer ungemütlicher wird und wir am nächsten Morgen um sechs los wollen, verkriechen wir uns ziemlich bald in unsere Schlafsäcke.

Am nächsten Morgen klappt es ohne Verspätungen. Alles wird wieder in den Rucksäcken verstaut und dann geht es weiter hinauf. Man weiß nicht, ob man seine Jacke anziehen soll oder nicht, denn beim Laufen schwitzt man. Der Wind jedoch ist eisig. Dieser steigert sich je höher wir kommen. Als wir uns gegen Mittag dem Gipfel nähern, habe ich alle meine warmen Jacken und Pullis an, die ich in Kamerun so besitze. Aber dennoch ist es im wahrsten Sinne des Wortes „arschkalt“. Die Landschaft hat sich nochmals gewandelt. Wir laufen über vulkanisches Gestein, das spärlich mit Flechten und Gräsern bewachsen ist. Schließlich erreichen wir den Krater des Ausbruchs von 2000. Es raucht immer noch und wir sehen die riesigen Gesteinsbrocken, die der Vulkan ausgeworfen hat.


Die letzten Meter hinauf zum Gipfel sind die schwersten. Das hängt mit dem Wind zusammen. Leider können wir die Windstärke nicht messen, aber Hans meint, so stark sei der Wind normalerweise nicht. Wir wandern über einen schmalen Grad, hören unser eigenes Wort nicht mehr und müssen uns gewaltig gegen die Kraft der seitlich kommenden Luftmassen stemmen, dass wir nicht links den Hang hinunterrutschen.

Schließlich sind wir auf 4010 Metern angekommen! Unser Verweilen reicht nur für ein kurzes Foto, auf dem niemand das Gesicht zu einem Lächeln verziehen kann und dann machen wir uns, getrieben von der Kälte, an den Abstieg.

Die andere Seite des Berges offenbart uns noch einmal eine ganz andere Landschaft. Wir rutschen mehr als das wir laufen durch schwarze Vulkanasche den Hang hinab. Auf der Ebene, die wir erreichen, ist vom Wind nichts mehr zu spüren. Wir machen nun eine Rast, stärken uns und dann geht es schon weiter über erkaltete Lavabrocken, die kantig spitz sind. Außer dem kaum zu erkennenden Pfad ist das Land soweit das Auge reicht von Menschen und auch Tieren unberührt. So stellt man sich eine Mondlandschaft vor.

Nachdem wir die Ebene verlassen haben, erreichen wir die Krater aus dem Jahr 1999. Es sind viele symmetrisch aufgeschüttete Kegel aus kleinen Steinen. In der Ferne erkennt man das Meer. Je weiter wir bergabsteigen, umso grüner zeigen sich uns die Hügel ehemaliger Krater. Die Sonne neigt sich bereits dem Horizont, als wir die Baumgrenze und ein kleines Wäldchen erreichen, in dem wir übernachten werden. Wir schlagen unsere Zelte auf und können uns sogar an einer Quelle, der ersten Wasserstelle nach Verlassen des Regenwaldes, waschen. Diese Quelle heißt „Mann-Spring“. Hans erklärt uns, dass sie nach ihrem Entdecker, einem deutschen Naturforscher namens Mann, benannt ist.
Zum Abendessen gibt es Spaghetti. Besonders die Träger freuen sich bestimmt darüber, denn nach dem zweiten Tag hat sich das Gewicht unserer Lebensmittelvorräte erheblich reduziert. Wir sind sehr froh, dass sie dabei sind, allein um die neun Liter Wasser pro Person zu tragen. (Sie haben übrigens die gesamte Wegstrecke in Flipp-Flopp zurückgelegt.)

Am nächsten Morgen packen wir unsere Zelte wieder ein und dann laufen wir durch den Regenwald zurück in Richtung Buea. Der Pfad ist schmal und an manchen Stellen muss man aufpassen auf der feucht-glitschigen Erde nicht auszurutschen und hinzufallen. Auf dem Weg gibt es interessant aussehende Wurm- und Raupenarten zu bestaunen, von größeren Tieren wie Affen oder Waldelefanten sehen wir aber nichts. Wir überqueren den Lavastrom von 1999, der inzwischen erkaltet ist und bis fast an die Küste reicht.
Die letzten Stunden ziehen sich sehr lange. Man merkt schon in den Muskeln und Gelenken, dass man sie drei Tage lang ununterbrochen beansprucht hat. Der Weg führt vorbei an Yams-Feldern und wild wachsenden Engelstrompeten, bis wir schließlich die ersten Häuser von Buea erreichen. Von hier nehmen wir ein Taxi durch die Stadt zurück zu unserem Ausgangspunkt.
Nach dem Abschlussfoto geht’s ins Hotel und wir schlafen erst mal.

Wir haben es alle geschafft! 60 Kilometer und 3000 Höhenmeter haben wir überwunden. Und darüber hinaus sind wir trocken geblieben. Es gehört schon ein wenig Glück dazu in der zweitregenreichsten Region der Welt innerhalb von drei Tagen nicht nass zu werden.
Trotz Anstrengung ist die Besteigung des Kamerunberges vor allem durch Landschaft und Natur eines meiner schönsten Erlebnisse in Kamerun.

1 Kommentar:

  1. freu mich schon, dass wir uns nach beinahe zwei jahren bald wieder sehen!
    Ganz lieben gruß
    Lena

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